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Legal News
4. August 2025

Das neue Rückstellungsverfahren nach § 367 StPO

Mit 01.01.2025 ist das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2024 (BGBl I 2024/157) in Kraft getreten. Schwerpunkt dieser Reform ist primär die Beschlagnahme von Datenträgern und Daten, doch bringt die Novelle auch tiefgreifende Änderungen in anderen Bereichen der Strafprozessordnung, insbesondere im Rückstellungsverfahren nach § 367 StPO mit sich.

§ 367 StPO in seiner alten Fassung regelte die Ausfolgung von Gegenständen an Opfer oder an Privatbeteiligte, von denen das Gericht überzeugt war, dass sie dem Opfer gehören. Umfasst waren lediglich sichergestellte oder beschlagnahmte körperliche Sachen des Opfers (zB Uhren), während keine Möglichkeit der Rückübertragung von anderen (nicht körperlichen) Vermögenswerten des Opfers, wie zB Bankguthaben oder Kryptowerte bestand.

Die Neuregelung seit 2025

Mit der Neufassung wurde der Anwendungsbereich des § 367 StPO deutlich erweitert. Nach den Gesetzesmaterialien erstreckt sich die Rückstellung an Opfer künftig sowohl auf Gegenstände als auch auf Vermögenswerte, worunter insbesondere Kryptowerte fallen.

Gemäß § 367 Abs 1 StPO kann nunmehr auch ein sichergestellter oder beschlagnahmter Vermögenswert nach einem rechtskräftigen Urteil an das Opfer zurückgestellt werden.

Unter den in § 367 Abs 2 StPO Voraussetzungen ist eine Rückstellung an das Opfer auch bereits im Ermittlungsverfahren möglich. Bevor eine Rückstellung an das Opfer erfolgen kann, müssen der Beschuldigte und andere Beteiligte angehört werden. Eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn der Gegenstand noch als Beweismittel gebraucht wird oder sonstige in § 368 StPO angeführte Umstände vorliegen, die der Rückstellung an das Opfer entgegenstehen.

Die Entscheidung über eine Rückstellung des Gegenstands oder Vermögenswerts an das Opfer steht im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, in der Hauptverhandlung dem erkennenden Gericht und sonst dem Vorsitzenden zu.

Die gerichtliche Hinterlegung des Gegenstands oder Vermögenswert § 368 StPO

Gelingt es dem Opfer nicht den Nachweis zu erbringen, dass der Gegenstand oder Vermögenswert ihm gehört, liegen bestimmte Anhaltspunkte für dingliche Rechte Dritter (zB das Eigentum eines anderen) daran vor oder behaupten mehrere Opfer das Recht daran, ist der Antrag auf Rückstellung des Gegenstands oder Vermögenswerts nach § 367 Abs 2 StPO an das Opfer abzuweisen (§ 368 StPO). In diesem Fall wird die Sicherstellung oder Beschlagnahme beendet, und der Gegenstand oder Vermögenswert beim zuständigen Bezirksgericht hinterlegt (§ 1425 ABGB). Das Opfer muss seine Ansprüche dann im Zivilverfahren durchsetzen.

Nicht umfasst vom neuen Rückstellungsverfahren ist weiterhin der Ersatz des erlittenen Schadens oder des entgangenen Gewinns. Aufgrund eines Privatbeteiligtenanschlusses kann das Gericht jedoch – aufgrund einer Verurteilung des Angeklagten – auch über zivilrechtliche Ansprüche des Opfers entscheiden und den Angeklagten im Urteil zum Ersatz des erlittenen Schadens oder des entgangenen Gewinns verpflichten. Dies gilt auch für jene Fälle, in denen ein Gegenstand oder Vermögenswert nicht mehr an das Opfer zurückgestellt werden kann (zB weil dieser zerstört wurde). Im Ermittlungsverfahren besteht nach wie vor keine gesetzliche Grundlage für die Befriedigung von Schadenersatz- oder Bereicherungsansprüchen einzelner Opfer.

Die Neufassung des § 367 StPO im Lichte der Opferschutzrichtlinie

Die Opferschutzrichtlinie 2012/28/EU der EU legt Mindeststandards für die Behandlung der Opfer von Straftaten fest und verpflichtet die Mitgliedstaaten insbesondere zu einem respektvollen Umgang mit Opfern sowie deren Unterstützung und Einbeziehung im Strafverfahren.

Nach der alten Fassung des § 367 StPO war Voraussetzung für die Rückstellung an das Opfer, die Überzeugung des Gerichtes, dass der Gegenstand „dem Opfer gehöre“. Ein Gegenstand gehörte dem Opfer, wenn er in seinem zivilrechtlichen Eigentum stand. Im Verhältnis des Opfers zum Beschuldigten reichte dafür auch das „rechtlich vermutete Eigentum“ iSd § 372 ABGB aus.

Nach Art 15 der Opferschutzrichtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die im Rahmen des Strafverfahrens beschlagnahmten Vermögenswerte, die für eine Rückgabe in Frage kommen, den Opfern aufgrund einer entsprechenden Entscheidung einer zuständigen Behörde unverzüglich zurückgestellt werden, es sei denn, die Vermögenswerte werden zum Zwecke des Strafverfahrens weiterhin benötigt.

Der Oberste Gerichtshof hat zu Art 15 der Opferschutzrichtlinie am 26.02.2025 ausgesprochen, dass
§ 444 Abs 2 StPO richtlinienkonform auszulegen ist. Demzufolge fallen auch bereicherungsrechtliche Ansprüche des Opfers einer Straftat gegen den Inhaber eines Kontos unter den „Anspruch auf den Gegenstand“ im Sinne dieser Gesetzesbestimmung (3 Ob 222/24d).

Im Lichte der Opferschutzrichtlinie werden §§ 367, 368 StPO daher so zu verstehen sein, dass es nicht mehr allein auf das Recht des Opfers an einem Gegenstand oder Vermögenswert ankommt. Auch andere Rechte – wie eben bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche – können einer Rückstellung zugänglich sein.

Fazit

Die Neufassung des § 367 StPO stellt einen wichtigen Schritt in Richtung eines effektiveren Opferschutzes dar. Durch die Abkehr vom Begriff des Gegenstands und dem Erfordernis von Eigentum wird Opfern der Zugang zu in Strafverfahren sichergestellten oder beschlagnahmten Vermögenswerten erleichtert, an denen ihnen Rechte zukommen. Dies entspricht dem Bedürfnis nach effizienter Wiedergutmachung im Strafverfahren. Um unionsrechtlichen Standards gerecht zu werden, wird das Rückstellungsverfahren darüber hinaus auch für bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche des Opfers anzuwenden sein.