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Legal News
2. Mai 2023

Bezug des Lockdown-Umsatzersatzes begründet Zinszahlungspflicht

Mit einer kürzlich publizierten Entscheidung (1Ob181/22g) entwickelte der OGH seine Judikatur zur Bestandzinsminderung aufgrund der Covid-19 Pandemie weiter.

Zum einen nahm er zur Frage, ob die Wirtschaftlichkeit einer Nutzung des Bestandobjektes während des Lockdowns durch den Bestandnehmer, zum anderen, ob die Inanspruchnahme des Lockdown-Umsatzersatzes durch den Bestandnehmer auf die Brauchbarkeit und damit auf den Anspruch auf Zinsminderung habe, Stellung.

Die Frage, ob ein Bestandobjekt mit dem Verwendungszweck Gastwirtschaft zumindest teilweise brauchbar war, weil der Bestandnehmer während des Lockdowns einen Abhol- und/oder Zustellservice hätte betreiben können, war bereits Gegenstand der Entscheidung zu 8 Ob 131/21d (siehe dazu Legal News 29.3.2022). Erstmals räumte der OGH damals ein, dass eine objektiv bestehende Möglichkeit des Mieters, das Mietobjekt zu verwenden, hier konkret, ein Liefer- oder Abholservice anzubieten, eine zumindest teilweise Brauchbarkeit des Geschäftslokals begründen würde, was zur Verpflichtung zur Zahlung eines – wenn auch geminderten - Mietzinses führen würde. Dem Mieter stehe freilich der Einwand offen, dass die Etablierung einer bislang nicht betriebenen Nutzungsmöglichkeit (hier: eines Liefer- oder Abholservices) nicht (sofort) zumutbar gewesen wäre. Unzumutbarkeit würde nach dem OGH dann vorliegen, wenn – etwa aufgrund des fehlenden Kundenkreises – für den Mieter ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre.

Nach dem nunmehr gegenständlichen Sachverhalt (es lag ein Pachtverhältnis vor) hatte die Bestandnehmerin (ohne dass dies ausdrücklich Vertragszweck gewesen wäre) im ersten Lockdown ihren Betrieb auch weiter betrieben, indem sie ein Abholservice eingerichtet hatte. Damit machte sie aber nur Verluste. Im zweiten Lockdown sah sie deshalb davon ab, hielt geschlossen, bezog aber den staatlichen Lockdown-Umsatzersatz. Sie behauptete daher für die Zeiträume der Lockdowns nicht zur Zahlung des Pachtzinses verpflichtet gewesen zu sein

Nutzung des Bestandobjekts während des Lockdowns begründet Zinszahlungspflicht auch bei Verlusten

Der OGH entschied: Wurde ein Bestandgegenstand während eines pandemiebedingten Betretungsverbots für andere vom Bestandvertrag gedeckte Zwecke tatsächlich genutzt, so könne nicht vollständige Unbrauchbarkeit iSv § 1104 ABGB angenommen werden. Auf die Wirtschaftlichkeit dieser Nutzung komme es nicht an. Die Bestandnehmerin musste daher, da es sich um ein Pachtverhältnis handelte, den vollen Pachtzins für den Zeitraum des ersten Lockdowns zahlen. 

Dies stellt eine folgerichtige Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung dar, nunmehr erstmals bezogen auf ein Pachtverhältnis. Wäre ein Mietverhältnis vorgelegen, wäre wohl aus denselben Überlegungen ein Mietzins zu zahlen gewesen, wenngleich, liegen die sonstigen Voraussetzungen vor, nur ein geminderter.

Bezug des Lockdown-Umsatzersatzes begründet Zinszahlungspflicht

Gänzlich neues Gebiet betritt aber der zweite Teil der Entscheidung. Wie erwähnt hatte die Bestandnehmerin während des zweiten Lockdowns geschlossen gehalten, aber den staatlichen Umsatzersatz bezogen. Der OGH entschied, dass die Bestandnehmerin auch für den Zeitraum des zweiten Lockdowns den vollen Pachtzins zu zahlen habe. Der OGH begründete dies damit, dass, werde ein Unternehmen in einem Bestandobjekt betrieben und für die Zeit eines die faktische Nutzung ausschließenden pandemiebedingten Betretungsverbots ein Umsatzersatz bezogen, so sei der Bestandgegenstand für diese Zeit nicht als vollständig unbrauchbar iSv § 1104 ABGB anzusehen.

Ob dies auch gelten würde, wenn zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Umsatzersatz bestand, dieser aber nicht beantragt oder nicht gewährt wurde, entschied der OGH allerdings nicht. Ebenso nicht, ob auch ein Mieter einer Geschäftsräumlichkeit, der einen Lockdown-Umsatzersatz bezogen hat, für die Zeiten des zweiten Lockdowns den vollen Mietzins zu bezahlen hätte (wofür freilich gute Gründe sprechen würden). Es bleibt daher weiter spannend.